«Auch bei schwierigen Gesprächen spüre ich eine Befriedigung»

Thomas Meyer ist einer der Freiwilligen bei malreden. Er, der in Wirklichkeit anders heisst, telefoniert einmal wöchentlich während rund einer Stunde mit seinem Tandempartner. Einblicke in eine telefonische Beziehung, bei der beide den Namen des jeweils anderen nicht kennen.
Thomas Meyer, was hat Sie zu dieser Freiwilligenarbeit bewogen?
Ausschlaggebend waren Telefongespräche mit einer kranken Kollegin. Sie schätzte meine Anrufe sehr, unsere Gespräche halfen ihr, der sozialen Isolation zu entkommen. Zufällig stiess ich dann auf das Angebot malreden und meldete mich dort als Freiwilligen.
Sind Sie noch anderweitig freiwillig tätig?
Ab den 1990er Jahren unterstützte ich verschiedene Organisationen in den Bereichen Rechnungswesen und administrative Begleitung – eine Arbeit, die mich befriedigte. Ich lernte neue Angebote und neue Menschen kennen. Heute bin ich nur noch für malreden tätig.
Sie haben sich für das Tandem-Angebot entschieden. Das heisst, Sie plaudern wöchentlich einmal mit dem immer gleichen Anrufenden. Weshalb?
Für mich ist es wichtig, mich nur auf eine Person zu konzentrieren, ich bin lieber individuell tätig. Beim Alltagstelefon wäre ich mit jeweils verschiedenen Anrufenden konfrontiert. Das liegt mir weniger.
Sie kennen Ihre Anruferin/Ihren Anrufer bereits länger als zwei Jahre. Entsteht dadurch eine Bindung?
Ich habe nicht den Eindruck. Wir siezen uns und sprechen uns mit einem Pseudonym an. Unsere Gespräche basieren eher auf einer gewissen Distanz.
Eine Freundschaft wird sich also nicht entwickeln…
Die Person wohnt weit weg von mir, deshalb wohl eher nicht.
Sprecht ihr über das Thema Nähe und Distanz?
Nein, bis jetzt nicht. Das liegt wohl auch daran, dass ich vor allem zuhöre.
Wie grenzen Sie sich im Gespräch ab?
Dass wir per Sie sind, ist allein schon eine Abgrenzung. Ich erzähle kaum etwas von mir, die anrufende Person ist vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Wie gehen Sie mit Dingen um, die Sie belasten?
Bei malreden gibt es regelmässig Supervisionen. Die sind sehr wertvoll und hilfreich. Zu Anbeginn meiner Tandem-Tätigkeit hatte ich gelegentlich die Tendenz, Ratschläge erteilen zu wollen, eine Möglichkeit, Belastendes von mir wegzuschieben. Ich musste erst lernen, Pausen einzubauen, Spaziergänge zu unternehmen, um den Kopf freizubekommen und Belastendes abzubauen. Als Einzelkind wurde ich teilweise früh mit schwierigen Situationen konfrontiert. Das hat mich gestärkt und hilft mir jetzt, auch herausfordernde Gespräche führen zu können.
Was, wenn Ihnen Ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner unsympathisch wären?
Ich hätte versucht, die Situation zu verändern. Wäre mir das nicht gelungen, dann hätte ich mich bei der Geschäftsstelle von malreden gemeldet. Wir dürfen unsere Gesprächspartnerinnen und -partner auswechseln, wenn die Chemie nicht stimmt.
Gibt es für Sie bezüglich Dauer des Kontakts eine Grenze?
malreden limitiert die Gespräche mit der gleichen Person auf drei Jahre. Zwar könnte ich auf privater Basis den Telefonkontakt verlängern, der dann nicht mehr unter malreden läuft. Doch das möchte ich nicht, drei Jahre sind für mich ok.
Welches ist für Sie die grösste Herausforderung in den Tandem-Gesprächen?
Vorwiegend in der Rolle des Zuhörers zu bleiben, denn manchmal wird das Gespräch laut und emotional. Ich spüre jedoch, dass die anrufende Person dankbar ist, einen Zuhörer zu finden. Bei bestimmten Themen kann es für mich manchmal jedoch schwierig werden, keine Ratschläge erteilen zu dürfen. Nie sagen zu können «Passen Sie auf», das bringt mich an meine Grenzen. Einem Freund oder einer Freundin könnte ich mitteilen, was ich denke.
Was ist der grösste Gewinn Ihrer Tätigkeit?
Auch bei schwierigen Gesprächen spüre ich eine Befriedigung. Ich darf in eine mir fremde Welt eintauchen und lerne bei den Gesprächen viel für mich selber. Einsamkeit ist ein grosses Thema, malreden ist ein sehr wertvoller Dienst und wird in unserer digitalen Welt immer wichtiger.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft bei malreden?
Für mich ist alles gut, wie es ist. malreden ist auf ausgezeichneten Qualitätskriterien aufgebaut und arbeitet mit motivierten Freiwilligen. Ich wünsche mir, dass noch mehr einsame Menschen malreden kennenlernen.