Einsamkeit meistern, indem wir darüber sprechen
Medienmitteilung und Podcast
Immer mehr, insbesondere ältere, Menschen sind in unserer stark vereinzelten Gesellschaft von Einsamkeit betroffen. Wie wir der Vereinsamung im Alter entgegenwirken können und weshalb es sich lohnt, die eigenen Altersbilder kritisch zu hinterfragen, darüber diskutierten die beiden Autorinnen und Einsamkeits-Expertinnen Pasqualina Perrig-Chiello und Elke Schilling am 22. August 2024 mit der Moderatorin und Journalistin Marina Villa in Bern.
Einsamkeit macht krank: Forschungsergebnisse zeigen, dass Einsamkeit verbunden ist mit einer schlechteren körperlichen, psychischen und kognitiven Gesundheit und einem erhöhten Sterberisiko. Das Podiumsgespräch «Einsamkeit im Alter meistern – so gelingt uns dies selbstbestimmt und als Gesellschaft» im Polit-Forum Bern, organisiert durch den Verein Silbernetz Schweiz (Anbieterin des telefonischen Gesprächsangebots «malreden») und unterstützt durch die Stadt Bern, war daher der Frage gewidmet, wie wir der Vereinsamung im Alter als Gesellschaft entgegenwirken können und wie es uns gelingt, die zweite Lebenshälfte und Übergänge in neue Altersphasen selbstbestimmt zu gestalten.
Wer einsam ist, ist (nicht) selbst schuld
Elke Schilling, Gründerin und Vorsitzende des Vereins Silbernetz Deutschland und Buchautorin «Die meisten wollen einfach mal reden», und Prof. em. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Präsidentin der beiden Vereine Silbernetz Schweiz und connect! sowie Buchautorin «Own your age. Stark und selbstbestimmt in der zweiten Lebenshälfte», machten im Gespräch mit der Moderatorin und Journalistin Marina Villa zuerst eine Standortbestimmung zu den Themen Einsamkeit und Alter. Beide Expertinnen stellten fest, dass einsame Menschen laut der Gesellschaft sehr oft selbst verantwortlich gemacht werden für ihrem Zustand und Schuldzuweisungen erfahren. Für Elke Schilling ist Alter grundsätzlich ein soziales Konstrukt, das Jahreszahlen mit Zuschreibungen von Eigenschaften verbindet. In ihren Augen haben die Menschen ein Recht darauf, in Würde altern zu können. Pasqualina Perrig-Chiello wies darauf hin, dass wir aufhören sollten, die Gesellschaft über den Altersbegriff zu spalten. Elke Schilling ergänzte: «Die oft verwendete Bezeichnung ‘Alterstsunami’ ist in meinen Augen diskriminierend.»
Raus aus der Tabuzone
Im zweiten Teil des Podiumsgesprächs erkundete Marina Villa mit ihren Gesprächspartnerinnen die Möglichkeiten, Einsamkeit im Alter auf individueller Ebene und als Gesellschaft zu meistern. Für die Mathematikerin und ehemalige Staatssekretärin für Frauenpolitik in Sachsen-Anhalt (D) Schilling ist klar, dass Phasen von Einsamkeit in jedem Leben vorkommen können: «Das Thema muss raus aus der Tabuzone. Wir meistern Einsamkeit, indem wir darüber sprechen.» Pasqualina Perrig-Chiello wies darauf hin, dass der Aufbau einer gewissen Resilienz bereits in jungen Jahren dabei helfen kann, dass im Alter weniger Einsamkeitsgefühle entstehen. Die Entwicklungspsychologin Perrig-Chiello betonte zudem die Wichtigkeit lebenslangen Lernens sowie dessen positiven Effekte auf die öffentliche Gesundheit und ermunterte das Publikum, die eigenen Altersbilder kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig stellte sie fest, dass wir noch lange nicht alles über Einsamkeit wüssten und auch künftig mit Herausforderungen konfrontiert seien – etwa damit, wie es uns gelingen könne, die soziale Teilhabe von einsamen Männer im Alter oder von pflegenden Angehörigen besser zu fördern. Um die Bevölkerung und die Politik für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren, die Akteure und deren Aktivitäten in diesem Feld besser zu koordinieren und zu unterstützen sowie um entsprechende Forschungsimpulse zu geben, wurde deshalb dieses Jahr der Schweizer Verein connect! gegründet. Beide Expertinnen betonten überdies die Wichtigkeit niederschwelliger Angebote wie «malreden», die dem Bedarf vieler entsprächen, einfach mal reden zu wollen.
Das Publikum wurde während des gesamten Podiumsgesprächs fortlaufend miteinbezogen, stellte Fragen und diskutierte mit. Nebst am Thema Interessierten waren auch Vertretende von Organisationen und der Forschung anwesend. Dies zeigt, dass das Thema eine breite Relevanz hat und nur mit vereinten Kräften angegangen werden kann.
Weitere Informationen:
– Hier geht es zum Buch von Pasqualina Perrig-Chiello.
– Hier geht es zum Buch von Elke Schilling.
Podcast des Podiumsgesprächs:
Bildergalerie: